Integration bedeutet mehr als Sprachkenntnisse

Integration bedeutet mehr als Sprachkenntnisse

Personalentwicklung

Von Tatjana Krieger — 10.04.2018

Integration bedeutet mehr als Sprachkenntnisse

Mit Pflegekräften aus dem Ausland den Fachkräftemangel lindern – kann das gelingen? Anwerbungen sind dann besonders nachhaltig, wenn sie von Integrationsmaßnahmen begleitet werden. Das Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg zeigt, wie soziale Teilhabe dabei hilft, Neuankömmlinge dauerhaft an sich zu binden.

Ein lauer Sommerabend in der Oberpfalz. Alexander Ebert, Stationsleiter im Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg, hat Mitarbeiter und Kollegen eingeladen. Ein paar Gäste wenden Fleisch auf einem Grill. Andere stehen beisammen und unterhalten sich. Darunter auch Frauen und Männer aus Serbien und Bosnien-Herzegowina, die als Pflegekräfte in der Klinik arbeiten. Vielleicht probieren sie erstmals typisch regionale Schmankerl. Ob es ihnen schmeckt? Viel wichtiger ist: Hier begegnen sie ihren Kollegen in einem privaten Rahmen. Sie lernen sich abseits vom anstrengenden Stationsalltag kennen und können Freundschaften schließen.

Der gesellige Abend bei Alexander Ebert, der auf seiner Station derzeit 36 Betten betreut, ist Teil eines von langer Hand geplanten und strukturierten Integrationsprozesses. In Zusammenarbeit mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV), die das Projekt Triple Win ins Leben gerufen hat, hat das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg Pflegefachkräfte aus dem Ausland angeworben. „Derzeit vermitteln wir ausgebildete Pflegekräfte aus vier Ländern. Das sind Bosnien-Herzegowina, die Philippinen, Serbien und Tunesien“, erklärt Luise Müller, die das Projekt bei der ZAV betreut. Die Maßnahme war notwendig geworden, weil immer weniger Menschen in Deutschland den Pflegeberuf ergreifen wollen und Kliniken sowie Pflegediensten Fachkräfte fehlen.

Damit Pflegefachkräfte ihren Aufenthalt in Deutschland nicht als vorübergehende Etappe begreifen, sondern das System dauerhaft entlasten, ist es notwendig, dass sie sich hier wohlfühlen. „Die fachliche Integration ist eine Seite der Medaille“, sagt Alexander Ebert. „Daneben spielt die soziale Integration eine wichtige Rolle.“ Für die Menschen, die als Fachkräfte hierherkommen, geht es um nicht weniger als die Frage: Kann ich mir vorstellen, dauerhaft ansässig zu werden und meinen Ehepartner bzw. meine Kinder hierherzuholen? Es gilt, frühzeitig die Weichen zu stellen. „Die anfängliche Phase gestaltet sich besonders schwierig. Wir müssen mithelfen, damit die Pflegekräfte sich so wohlfühlen, dass sie die Anfangszeit gut überstehen und ihren Aufenthalt nicht frühzeitig abbrechen und wieder ausreisen“, so Andreas Röbl, der als Personalreferent im Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg unter anderem Mitarbeiter des Pflegedienstes betreut. Dafür lassen sich die Stationen einiges einfallen: „Wir veranstalten regelmäßig Teamevents“, so Ebert. So entstehe ein reger Austausch, der den neuen Kolleginnen und Kollegen guttue. „Die Fachkräfte wachsen auf diese Weise tief ins Team hinein. Das ist essenziell, um die Menschen dauerhaft an unser Haus zu binden.“

Von den ersten Schritten bis zu gemeinsamen Unternehmungen mit den neuen Kollegen war es für das Krankenhaus und seine Mitarbeiter ein weiter Weg. Denn das im Jahr 2015 eigens für das Anwerben entwickelte Maßnahmenpaket setzte früh an. „Gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben wir zunächst einen Integrationsworkshop initiiert“, erzählt Andreas Röbl. In Vorbereitung für den Workshop mit einer Mitarbeiterin der GIZ wurde ein Projektteam gegründet und ein Fahrplan für die ersten zwölf Monate erstellt: Welche Vorbereitungen sind vor Ankunft der Pflegekräfte zu treffen? Welche fachliche und soziale Integration steht an? Wie organisieren wir die Anerkennungsphase? Solche und ähnliche Fragen wurden geklärt. Im Februar 2016 reisten die ersten Pflegefachkräfte aus Serbien und Bosnien in die Oberpfalz ein.

In Deutschland angekommen, stand das Erlernen der Sprache an erster Stelle. „Wir haben einen Sprachkurs organisiert und die Pflegekräfte dafür von der Arbeit freigestellt“, erinnert sich der Personalreferent. Die ersten Tage standen im Zeichen einer „Einführungswoche“: Verschiedene Themen wurden abgearbeitet, eine Mitarbeiterin der Integrationsstelle der Stadtverwaltung versorgte die Neuankömmlinge mit Informationen über Regensburg und meldete sie beim Einwohnermeldeamt an. Ein Vertreter der Krankenkasse kümmerte sich um die Krankenversicherung. Die Pflegedirektion schließlich organisierte einen Einführungstag und hatte Schulungen zu Themen wie Hygienevorkehrungen, Dokumentation oder Pflegestandards vorbereitet. Daneben ist das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg bei der Wohnungssuche behilflich. „Wir stellen zwar Wohnheimzimmer zur Verfügung“, so Röbl. „Aber das Ziel ist es, dass unsere Fachkräfte schnell eine eigene Bleibe finden. Das ist in Regensburg, wie in vielen anderen Universitätsstädten, nicht ganz einfach.“

Integration bedeutet mehr als Sprachkenntnisse

Um den Pflegefachkräften parallel dazu die fachliche Integration zu erleichtern, hat das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg den neuen Kollegen feste Ansprechpartner zur Seite gestellt. „Das Team steht den neuen Mitarbeitern immer bei und beantwortet aufkommende Fragen“, so Stationsleiter Ebert. In einem eigens entwickelten Stationskatalog können die Pflegekräfte jederzeit nachschlagen und Antworten auf die häufigsten Fragen finden. Zudem arbeitet das Krankenhaus eng mit der Berufsfachschule für Krankenpflege zusammen. „In der Mitte der Anerkennungsphase findet, zusammen mit der Schule, ein Zwischengespräch statt, bei dem der Leistungsstand ermittelt wird und der Termin für die Anerkennungsprüfung festgelegt wird.“

Wie gut die fachliche als auch soziale Integration gelingt, hängt maßgeblich von den Sprachkenntnissen ab – dieses Fazit lässt sich aus den bisherigen Erfahrungen im Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg ableiten. „Das anfängliche Sprachniveau ist zwar unterschiedlich, aber meist schon relativ gut, sodass man sich zumindest grundlegend verständigen kann“, berichtet Alexander Ebert. Trotzdem liegt sein Hauptaugenmerk darauf, die neuen Mitarbeiter beim weiteren Erlernen der Sprache zu unterstützen. An drei Nachmittagen in der Woche findet der Sprachkurs statt. Einige investieren in ihrer Freizeit zusätzlich Zeit, um noch schneller und besser Deutsch zu lernen. Als besonders schwierig gestaltete sich anfangs die schriftliche Sprache. Die ist aber essenziell, um die Dokumentationspflichten in der Pflege zu erfüllen. Sobald die neuen Pflegekräfte die gängigen Formulierungen gelernt haben, gehe alles deutlich einfacher – das ist auch wichtig für die berufliche Anerkennung. Ohnehin gibt es viel zu tun: In Serbien und Bosnien ist die praktische Ausbildung deutlich kürzer. „Es ist die Aufgabe der Station, die Kollegen vor allem in der Grundpflege, also der Körperpflege, zu schulen. Ein enger Kontakt zur Praxisanleitung ist dabei hilfreich.“

Ein dreistufiges System aus gründlicher Vorbereitung durch das Projektteam, fachlicher plus sozialer Integration – das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg hat gute Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise gemacht. „Natürlich haben die Menschen, die hierherkommen, ganz altersunabhängig, Heimweh. Aber deshalb ist noch niemand vorzeitig abgereist“, sagt Andreas Röbl. Ob es bereits Abbrecher gab? „Stand heute sind noch nahezu alle Pflegekräfte bei uns beschäftigt. Dies zeigt uns, dass wir mit unserem Integrationskonzept auf dem richtigen Weg sind!“